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Stadtentwicklung per Handschlag? Eine kritische Analyse des Weißenfelser Vorgehens gegen „Schrottimmobilien“


Wenn Stadtentwicklung per Handschlag entschieden wird, geraten Transparenz, Gleichbehandlung und demokratische Kontrolle ins Hintertreffen. Der Fall der Weißenfelser Ritterstuben zeigt, wie konsequentes Verwaltungshandeln, wirtschaftliche Macht und politische Inszenierung ineinandergreifen – und warum genau dieses Vorgehen kritisch hinterfragt werden muss.



Ein analytischer Blick auf Macht, Verfahren und Stadtpolitik in Weißenfels

Der jüngste Facebook-Beitrag der Stadt Weißenfels zum Umgang mit sogenannten Schrottimmobilien markiert einen bemerkenswerten Punkt in der lokalen Stadtentwicklungspolitik. Er präsentiert sich als Erfolgsgeschichte entschlossener kommunaler Führung, wirtschaftlicher Kooperation und scheinbar alternativloser Härte gegen säumige Eigentümer. Doch bei genauerer Betrachtung wirft der geschilderte Vorgang grundlegende Fragen auf – zu Rechtsstaatlichkeit, Transparenz, Gleichbehandlung, demokratischer Kontrolle und langfristigen Folgen für Stadt und Gesellschaft.

1. Die Narrative der Konsequenz – Erfolgsgeschichte oder politisches Framing?

Der Post folgt einer klaren Dramaturgie: Auf der einen Seite eine handlungsstarke Stadtspitze, die „hart und konsequent durchgreift“, auf der anderen Seite ein säumiger Eigentümer, dessen Versagen letztlich zur Zwangsversteigerung führt. Als Retter tritt schließlich ein finanzkräftiger Unternehmer auf, der – so die Darstellung – aus Verbundenheit zur Stadt Verantwortung übernimmt.

Diese Darstellung bedient klassische politische Narrative: Ordnung gegen Verfall, Leistungsfähigkeit gegen Untätigkeit, wirtschaftliche Stärke gegen strukturelle Schwäche. Auffällig ist jedoch, dass komplexe Zusammenhänge stark verkürzt werden. Es bleibt unklar, welche Möglichkeiten dem ursprünglichen Eigentümer tatsächlich offenstanden, wie verhältnismäßig die eingesetzten Mittel waren und ob alternative Lösungen ernsthaft geprüft wurden.

2. Denkmalrecht, Zwangsgelder und Zwangsversteigerung – rechtlich korrekt, politisch problematisch?

Formal mag das Vorgehen der Stadt rechtlich gedeckt sein: denkmalrechtliche Erhaltungsverfügungen, Zwangsgelder und Ersatzvornahmen sind legitime Instrumente. Doch Rechtmäßigkeit allein beantwortet nicht die Frage nach Angemessenheit.

Besonders kritisch ist der Eindruck, dass die Eskalation der Maßnahmen nicht allein der Rettung des Denkmals diente, sondern gezielt auf eine wirtschaftliche Verwertung durch einen neuen, gewünschten Eigentümer hinauslief. Die Tatsache, dass Kosten aus Ersatzvornahmen an einem anderen Objekt im Grundbuch eines zweiten Hauses eingetragen wurden, wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit und strategischen Absicht auf. Der Übergang von ordnungsrechtlichem Handeln zu faktischer Enteignung durch wirtschaftlichen Druck ist fließend – und politisch hochsensibel.

3. Stakeholder-Management oder selektive Stadtentwicklung?

Besonders aufschlussreich ist die offene Beschreibung der Strategie durch den Oberbürgermeister selbst. Die Stadt richtet sich explizit an „finanzkräftige und verlässliche Unternehmerinnen und Unternehmer“, die gezielt in den Wohnungsbau einbezogen werden sollen.

Diese Offenheit ist ehrlich – aber problematisch. Denn damit stellt sich die Frage:

Welche Rolle spielen Bürgerinnen und Bürger, lokale Kleinbesitzer, Genossenschaften oder soziale Träger in dieser Strategie?

Stadtentwicklung wird hier nicht als demokratischer Aushandlungsprozess verstanden, sondern als gesteuerte Kooperation zwischen Verwaltungsspitze und wirtschaftlichen Eliten. Die Auswahl der „Stakeholder“ erfolgt offenbar informell, persönlich und nach wirtschaftlicher Potenz – nicht nach transparenten, öffentlichen Kriterien.

4. Der Handschlag als politisches Symbol – jenseits demokratischer Kontrolle?

Besonders irritierend ist die Betonung eines Handschlags auf dem Rathausbalkon als Grundlage der Zusammenarbeit. Dieses Bild steht sinnbildlich für ein Politikverständnis, das auf persönliches Vertrauen statt auf institutionelle Verfahren setzt.

In einem demokratischen Rechtsstaat sollten Stadtentwicklungsstrategien jedoch:
  • öffentlich diskutiert,
  • durch gewählte Gremien legitimiert,
  • transparent dokumentiert und
  • für alle Marktteilnehmer grundsätzlich offen sein.

Der Handschlag ersetzt kein Vergabeverfahren, keine politische Debatte und keine langfristige Strategie. Er verstärkt vielmehr den Eindruck einer informellen Machtkonzentration, bei der persönliche Netzwerke wichtiger sind als formale Prozesse.

5. Abhängigkeit von Großunternehmern – nachhaltige Lösung oder strukturelles Risiko?

Dass Clemens Tönnies als Investor auftritt, wird als Glücksfall dargestellt. Doch genau hierin liegt ein strukturelles Problem: Die Stadt begibt sich bewusst in eine Abhängigkeit von einzelnen Großakteuren.

Was geschieht, wenn:
  • sich wirtschaftliche Interessen ändern?
  • politische Mehrheiten wechseln?
  • andere Unternehmer ähnliche Sonderbehandlungen einfordern?

Eine Stadtentwicklung, die auf punktuelle Interventionen finanzstarker Einzelpersonen setzt, ist keine nachhaltige Strategie, sondern ein riskantes Modell, das soziale und wirtschaftliche Macht weiter konzentriert.

6. Wohnraum für wen?

Schließlich bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet:

Für wen entsteht dieser neue Wohnraum?

Sieben Wohnungen mit Schlossblick und Verkaufsläden deuten eher auf ein hochpreisiges Segment hin. Ob damit tatsächlich der Wohnraumbedarf der Weißenfelser Bevölkerung gedeckt wird oder vielmehr eine symbolische Aufwertung einzelner Innenstadtlagen erfolgt, bleibt offen. Stadtentwicklung darf sich jedoch nicht allein an ästhetischer Aufwertung und Investoreninteressen orientieren, sondern muss soziale Durchmischung, Bezahlbarkeit und langfristige Nutzbarkeit berücksichtigen.

Effizienz ersetzt keine Legitimation

Der Fall der Ritterstuben zeigt, dass entschlossenes Verwaltungshandeln sichtbare Ergebnisse erzielen kann. Doch er offenbart zugleich ein Politikverständnis, das Effizienz über Transparenz, wirtschaftliche Potenz über soziale Vielfalt und persönliche Absprachen über demokratische Prozesse stellt.

Die entscheidende Frage lautet daher nicht, ob saniert wird – sondern wie, von wem und zu welchen Bedingungen. Eine nachhaltige Stadtentwicklung braucht mehr als harte Bandagen und starke Investoren: Sie braucht Regeln, Öffentlichkeit, Beteiligung und soziale Verantwortung.

Weißenfels steht damit exemplarisch für eine Herausforderung, die viele Kommunen kennen – und für die es keine einfachen Antworten gibt. Gerade deshalb sollte die Debatte nicht in Facebook-Posts enden, sondern offen, kritisch und demokratisch geführt werden.

Der Post auf Facebook von Weissenfels.de

Im Kampf gegen Schrottimmobilien in Weißenfels greift Oberbürgermeister Martin Papke hart und konsequent durch. Ein Thema, das auch beim Austauschtreffen mit dem Unternehmer Clemens Tönnies am 4. Dezember 2025 in Rheda-Wiedenbrück zur Sprache kam. Denn der Miteigentümer der Unternehmensgruppe Tönnies Holding wird hierbei selbst ein wichtiger Vorreiter sein. So hat Clemens Tönnies die Ritterstuben in der Großen Burgstraße 4 und das benachbarte freie Grundstück in der Großen Burgstraße 6 erworben. Das bekannte Weißenfelser Stadthaus aus der Barockzeit soll saniert und durch einen Neubau ergänzt werden. Neben zwei Verkaufsläden werden sieben Wohnungen mit Schlossblick entstehen. Dafür hat der Unternehmer eines der renommiertesten Architekturbüros Deutschlands beauftragt: die Schwarz & Sturmat Architektur- und Ingenieurbüro PartGmbH aus Halle (Saale), die auch schon für die Sanierung des Weißenfelser Rathauses zuständig war. Der Baubeginn ist für das Jahr 2026 geplant.

Für Oberbürgermeister Martin Papke ein gelungenes Projekt und ein Prototyp für ähnliche Vorhaben bei der städtebaulichen Gestaltung und der Schaffung von Wohnraum. Dafür legt das Stadtoberhaupt schon jetzt härtere Bandagen an Eigentümer von Innenstadthäusern an, die ihre Gebäude verfallen lassen und keine Sanierungen vornehmen. Bei den Ritterstuben hat die Stadt Weißenfels eine denkmalrechtliche Erhaltungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeldern erlassen. Da der Eigentümer der Anordnung nicht nachkam, wurde das Zwangsgeld erlassen und später im Grundbuch eingetragen. Auch die Kosten für eine Ersatzvornahme an einem anderen Gebäude des Eigentümers wurden ins Grundbuch der Burgstraße 4 eingetragen. Folge war eine Zwangsversteigerung des Objektes. Auf Bitten des Oberbürgermeisters erwarb Clemens Tönnies das historische Gebäude und das Nachbargrundstück.

Dahinter steckt ein sogenanntes Stakeholder-Management zur nachhaltigen Stadtentwicklung, das Oberbürgermeister Martin Papke so beschreibt: „Unsere Strategie richtet sich an finanzkräftige und verlässliche Unternehmerinnen und Unternehmer, die einen Bezug zu Weißenfels haben. Sie sollen aktiv in den Wohnungsbau einbezogen werden“. Ziel sei es, ihnen den Erwerb sogenannter Schrottimmobilien zu ermöglichen und die Voraussetzungen zu schaffen, diese Gebäude zu sanieren. „Clemens Tönnies hat mir mit einem Handschlag auf dem Rathausbalkon versprochen, uns bei dieser Strategie zu unterstützen und er hat Wort gehalten. Das freut mich sehr. Die Sanierung der Ritterstuben ist richtungsweisend. Weitere industrielle Stakeholder sollen an den Tisch geholt und in den Städtebau einbezogen werden, um neue Perspektiven für Wohnraum zu schaffen und unsere Stadt noch schöner zu machen“, sagt Martin Papke.

„Tönnies und Weißenfels gehören seit mehr als 35 Jahren zusammen. Die Stadt liegt mir am Herzen und als Unternehmer ist es mir ein Anliegen, nachhaltige Impulse für die Stadt Weißenfels zu setzen“, sagt Clemens Tönnies. Mit der Sanierung der Ritterstuben wolle er ein Stück Geschichte bewahren und gleichzeitig neuen, hochwertigen Wohnraum schaffen. „Das Vorhaben hat mir deutlich gezeigt: Wenn Stadt und Wirtschaft gemeinsam anpacken, entstehen erstklassige Projekte“, sagt der Unternehmer.



Verfasser: АИИ  |  22.12.2025

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