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Keine Ahnung und davon jede Menge! - Blindflug, Verantwortungslosigkeit, Intransparenz im Weißfenfelser Stadtrat beim Thema IKIG


Die jüngsten Entwicklungen rund um die Planung und Diskussion des Interkommunalen Industriegebiets (IKIG) werfen ein Schlaglicht auf die Informationspolitik der Stadt Weißenfels und die Rolle des Oberbürgermeisters Martin Papke. Insbesondere die verspätete Beantwortung einer Bürgeranfrage und die widersprüchliche Informationslage während der Stadtratssitzung vom 7. November 2024 lassen Zweifel an der Transparenz und Ernsthaftigkeit des Prozesses aufkommen.



Verspätete Beantwortung und fragwürdige Kommunikation

Wolfgang Gotthelf, ein besorgter Bürger und Kritiker des IKIG, hatte bereits am 28. August 2024 eine detaillierte Anfrage gestellt. Obwohl die Antwort laut Datum bereits am 13. September 2024 vorlag, wurde sie ihm erst am 18. November 2024 zugestellt – fünf Tage nach der entscheidenden Stadtratssitzung. Besonders problematisch ist, dass Oberbürgermeister Papke in der Sitzung erklärte, die Antwort sei bereits verfügbar, wurde jedoch nicht rechtzeitig übermittelt. Diese Verzögerung hat nicht nur Gotthelf, sondern potenziell auch die Stadträte, die über das Projekt abstimmen mussten, in ihrer Informationsbasis eingeschränkt.

Die verspätete Übermittlung der Antwort wirft grundlegende Fragen auf: Warum wurde die Information zurückgehalten? War dies eine gezielte Maßnahme, um kritische Stimmen auszubremsen? Selbst wenn dies unbeabsichtigt geschah, bleibt ein fahler Beigeschmack, denn es entsteht der Eindruck, dass eine offene Diskussion über Risiken und Herausforderungen des Projekts bewusst behindert wurde.

Die Qualität der vorliegenden Informationen

Die Beantwortung der Bürgeranfrage selbst ist ein weiteres Problem. Wolfgang Gotthelf kritisiert zurecht, dass die Antwort der Stadt vage bleibt und auf zentrale Fragen wie ein Worst-Case-Szenario oder detaillierte Risikoanalysen ausweicht. Stattdessen wird ein optimistisches Narrativ präsentiert, das die positiven Effekte von Fördermitteln und das Potenzial neuer Arbeitsplätze betont, ohne auf die realistischen Risiken einzugehen. Wesentliche Aspekte, wie die möglichen Kostenüberschreitungen, soziale Begleitkosten und der Einfluss auf die bestehende Infrastruktur, werden nicht konkret adressiert.

Besonders alarmierend ist die Einschätzung der möglichen Kostenentwicklung. Während Gotthelf auf Basis ähnlicher Großprojekte wie Stuttgart 21 von einer Verdopplung der ursprünglich geplanten 141 Millionen Euro ausgeht, bleibt die Antwort der Stadt vage und verweist auf "überschaubare Risiken". Konkrete Zahlen oder Szenarien fehlen völlig. Dies untergräbt das Vertrauen in die Planung und lässt befürchten, dass der Stadtrat keine fundierte Entscheidungsgrundlage hatte.

Entscheidung des Stadtrats: Hatten die Mitglieder ausreichend Informationen?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Stadtrat am 7. November 2024 überhaupt in der Lage war, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Es scheint, dass die Mitglieder überwiegend mit den optimistischen Darstellungen der Stadtverwaltung konfrontiert wurden, während kritische Analysen oder alternative Szenarien – etwa zu finanziellen Risiken oder sozialen Folgekosten – fehlten. Diese einseitige Informationslage hätte zu einer voreiligen und möglicherweise nicht nachhaltigen Entscheidung führen können.

Ein besonders problematischer Punkt ist die Rolle des Zweckverbands, der laut Antwort der Stadt für die laufenden Kosten und Risiken verantwortlich sein soll. Diese Delegation der Verantwortung wird von Gotthelf scharf kritisiert, und nicht zu Unrecht: Es scheint, als wolle sich die Stadt Weißenfels aus der Verantwortung ziehen, sollte das Projekt scheitern. Der Stadtrat hätte diese Frage stärker hinterfragen müssen, bevor er eine Entscheidung traf.

Eine problematische Strategie der Stadtführung

Das Vorgehen des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung im Kontext des IKIG ist höchst kritisch zu bewerten. Die verspätete Beantwortung von Bürgeranfragen, die unzureichende Informationslage und die mangelnde Berücksichtigung von Worst-Case-Szenarien deuten auf eine problematische Kommunikationsstrategie hin. Die Tatsache, dass der Stadtrat auf dieser Basis eine so weitreichende Entscheidung traf, wirft ernsthafte Zweifel an der Qualität des Entscheidungsprozesses auf.

Dass durch Hinzunahme eines Anwaltes außerdem die Videoaufzeichnung der Stadtratssitzung aus dem Netz genommen werden musste, verstärkt die Annahme, dass eine große Zahl der Stadträte nicht möchte, dass die Bürger erfahren, wie über das IKIG während der Stadtratssitzung diskutiert wurde. Diese Intransparenz wirft erhebliche Fragen dahingehend auf, ob die Stadträte tatsächlich im Interesse der Bürger agieren und ob möglicherweise Interessen vorhanden sind, die es erfrodern, dass das IKIG unbedingt entstehen muss.

Das Projekt IKIG mag Chancen bieten, aber die Stadt Weißenfels muss zeigen, dass sie bereit ist, auch die Risiken offen zu kommunizieren und in die Planungen einzubeziehen. Andernfalls droht ein Vertrauensverlust, der nicht nur die Legitimität des Projekts, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Stadtverwaltung nachhaltig beschädigen könnte.

Die Anfrage von Herrn Gottheld und die Antwort von Martin Papke (Oberbürgermeister) & André Zschuckelt (Geschäftsführer, SEWIG Burgenlandkreis)


Anmerkung: Herr Gotthelf erbat eine Antwort des Stadtrates, die es so gesehen nicht gab.

Stadt Weißenfels
13.09.2024

Oberbürgermeister

Beantwortung der Anfrage
öffentlich

AF 016/2024_2/1

von Einwohner
Herr Gotthelf

am 28.08.2024 im Stadtrat

Bestätigung Rechts- und Vergabeamt

Anfrage zu 1. Erkenntnissen aus der Machbarkeitsstudie zu IKIG, in erster Linie als sehr besorgter Weißenfelser Bürger

Eine erste Analyse zeigte, dass die Risiken und Herausforderungen für Weißenfels in keinem Verhältnis zu einem möglichen Nutzen stehen.

Studie geht von Gesamt (grob) Kosten von 141,24 Mill. Euro aus, im Nebensatz dazu die Warnung, gilt für sehr sehr große Grundstückszuschnitte (Cluster), also Zuschnitt für große Industrieeinheiten, d.h. bei kleineren bzw. sehr viel kleineren Zuschnitt können die 141 Mill. Euro nicht gehalten werden.

Künftige Preisentwicklungen hat die Studie nicht berücksichtigt., wenn man Großprojekte wie Stuttgart 21 und BER betrachtet, will ich momentan nicht von Verdreifachung sprechen, aber eine Verdoppelung von ca. 300 Mill. Euro ist realistisch. Zu den Betriebskosten, Instandhaltung der Infrastruktur, Reinigung, Sicherheit und Verwaltung nur die beängstigende Aussage, dass sich diese nur im besten Fall über Gebühren und Beiträge finanzieren lassen. Da Gewerbesteuern erst sukzessive fließen, muss durch jede beteiligte Kommune über viele Jahre mit sehr hohen finanziellen Belastungen ihres Haushaltes gerechnet werden.

Konkret frage ich an, hat die Stadt Weißenfels ein worst case Szenario für:
  • davon galoppierende Finanzierungen und Kostenüberschreitungen
  • für das Ausbleiben/ Reduzierung von Fördermitteln
  • einer mangelnden Nachfrage, da parallele Standorte wie Leuna III, Zeitz- Tröglitz oder Wiedemar deutlich attraktiver sind
  • von unkalkulierbaren Haushaltsbelastungen durch laufende Zahlungen von Betriebskosten
  • sind soziale Begleitkosten, wie für Neubau von Wohnungen, Schulen, Kitas und medizinischer Versorgung bei den jetzigen Schuldenstand überhaupt finanzierbar
  • muss WSF bereits jetzt schon Kreditzinsen mit neuen Krediten bezahlen
  • das Grobkonzept rechnet mit kompletter Auslastung der Kläranlage Weißenfels, ist mit einem Erweiterungskostenbeitrag und von höheren Gebühren für alle bisherigen Nutzer auszugehen
  • wie will Weißenfels einen Teufelskreis einer selbst geschaffenen Schuldenfalle entkommen, falls Vorhaben gegen Widerstände der Bürger und gesunden Menschenverstand durchgesetzt wird


Bitte Antwort aus Stadt – eigener Worst Case Betrachtung, und keine vorhersehbare Antwort der Strukturkommission benutzen.




Sehr geehrter Herr Gotthelf,

Ihre Anfrage im Rahmen der Bürgerfragestunde des Stadtrates Weißenfels am 29.08.2024 möchten wir wie folgt beantworten. Wir gehen dabei auf die von Ihnen genannten Schwerpunkte ein:

Im Moment besteht durch das Programm Revier 2038 eine einmalige Fördermittelkulisse im Strukturwandel: Die Förderquote beträgt 95% (bzw. 90% ab 2027) der Kosten der Planungs- und Infrastrukturmaßnahmen, die zur Entwicklung und Erschließung des Interkommunalen Industrie- und Gewerbegebietes (IKIG) notwendig sein werden. Es besteht die in diesem Umfang wohl einmalige Chance zur Inanspruchnahme von beträchtlichen Fördermittelvolumina, welche nur hier zweckgebunden eingesetzt werden können.

In der Machbarkeitsstudie wurde beschrieben und empfohlen, dass ein schrittweiser und bedarfsgerechter Ausbau des Gewerbestandortes geplant wird. Der Ausbau findet stufenweise in dem Umfang statt, wie die Fördermittel verfügbar sind und konkrete Ansiedlungsanfragen von Gewerbe- und Industriebetrieben vorliegen.

Die Investitions- und Marketinggesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt erreichen sehr viele Ansiedlungsanfragen, die in Sachsen-Anhalt aktuell nicht bedient werden können, da die entsprechenden Flächengrößen und -Zuschnitte nicht zur Verfügung stehen. Hier besteht also Handlungsbedarf, wenn nicht alle Investitionen an Sachsen-Anhalt vorbeiziehen sollen. Die Beteiligten verfolgen das Ziel, bedarfsgerecht Industrie- und Gewerbeflächen anbieten zu können, die dann entwickelt werden, sobald sich das Interesse der Ansiedlungswilligen konkretisiert.

Andere Gewerbestandorte betrachten wir nicht als direkte Konkurrenten. Im Gegenteil, diese ergänzen das IKIG mit anderen Schwerpunkten, zum Beispiel zielt das Gewerbegebiet in Zeitz- Tröglitz auf Unternehmen der chemischen Industrie und deren Zulieferer, ebenso das Gebiet bei Leuna. Der bei Wiedemar in Sachsen geplante Standort wird momentan nicht weiterverfolgt.

Zur sozialen Infrastruktur: Die Schaffung hochwertiger Industriearbeitsplätze kann eine Antwort darstellen, um dem demographischen Wandel und der Abwanderung aufgrund von nicht ausreichendem Arbeitsplatzangebotes entgegenzuwirken, Zuzug gut ausgebildeter Arbeitskräfte samt Familien zu generieren und damit eine Auslastung der sozialen Infrastruktur (Kitas, Schulen, Gastronomie, Einzelhandel…) auf lange Sicht sicherzustellen. Es ist zunächst nicht geplant, neue KITAs, Schulen oder Wohnungen zu bauen, sondern zuallererst ist das Ziel, die vorhandene Infrastruktur nachhaltig gut zu nutzen: leerstehende Wohnungen zu revitalisieren und vorhandene Kapazitäten in Schulen und Kitas bestmöglich zu füllen und dabei dem demographischen Trend zu trotzen.

Eine verantwortungsvolle Steuerung der Kostenentwicklung ist Aufgabe des zu gründenden Zweckverbandes. Nach der Entwicklung der ersten Gewerbeflächen und deren Vermarktung entsteht ein Mittelrückfluss, der wiederum für die Entwicklung der nächsten Bauabschnitte genutzt werden kann. Somit wird sichergestellt, dass nicht über den Bedarf hinaus Flächen erschlossen und der Landwirtschaft entzogen werden, sondern eine bedarfsgerechte Erschließung erfolgt. Richtig ist, dass es sich bei der Kostenprognose momentan um eine grobe Schätzung handelt, welche sich in den nachfolgenden Planungsschritten (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) konkretisieren wird. Woraus Sie die Annahme einer Verdopplung herleiten, erschließt sich hier nicht. Vielmehr könnte Kostensteigerungen z.B. durch Gebietskorrekturen entgegengewirkt werden.

Der Burgenlandkreis 50% des Risikos und der Kosten. Die Aufteilung der zweiten Hälfte der Kosten und Risiken erfolgt zwischen den 4 beteiligten Städten mittels eines Verteilschlüssels, dem die Flächengröße und die Einwohnerzahl der jeweiligen Kommune zu Grunde liegt.

Richtig ist, dass mit dem Zufluss von Gewerbesteuern erst in einigen Jahren zu rechnen ist.

Hier werden die beteiligten Städte Regelungen untereinander treffen, welche die Verteilung der Gewerbesteuern nach dem Verteilschlüssel gewährleisten. Steuereinnahmen werden aber auch über die Grundsteuer der Betriebe sowie die Einkommensteuer der hier ansässigen Arbeitnehmer generiert.

Der laufende Betrieb des Industrie- und Gewerbegebietes ist durch einen Betreiber (den Zweckverband) vorgesehen. Dieser sorgt dafür, dass die Betriebskosten auf die ansässigen Unternehmen umgelegt und von diesen getragen werden. Zum Start sind gleichwohl Anfangsinvestitionen durch die beteiligten Kommunen und den Burgenlandkreis zu tätigen, da die Kosten naturgemäß durch die ersten Ansiedlungen nicht voll gedeckt werden können.

Gestatten Sie zuletzt noch den Hinweis, dass bei ausschließlicher Betrachtung von Worst-Case- Szenarios wahrscheinlich keinerlei Entwicklung mehr stattfinden würde. Jede zukunftsweisende Entwicklung ist mit Chancen und Risiken verbunden. Im Fall des IKIG sind die Chancen groß und die Risiken überschaubar und beherrschbar.

Gern laden wir Sie dazu ein, den Prozess weiter zu begleiten und sich im Rahmen der nächsten Sitzungen weiter zu dem Thema zu informieren und einzubringen.

Martin Papke
Oberbürgermeister

André Zschuckelt
Geschäftsführer

Stadt Weißenfels
SEWIG Burgenlandkreis

Verfasser: Redaktion  |  19.11.2024

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