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Hallenbad-Desaster - Schwimmhalle Weißenfels - Offener Brief an den Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt von Robby Risch, Oberbürgermeister a. D.


Der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Weißenfels, Robby Risch, schrieb zum Thema der Schwimmhalle einen offenen Brief an den Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt


Schwimmhalle Weissenfels, Quelle: Stadt Weissenfels, Katharina Vokoun

Offener Brief an den Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt
via E-Mail

Landesrechnungshof des Landes Sachsen-Anhalt
Postfach 4040
z. H. Präsident des Landesrechnungshofes Herr Barthel

39015 Magdeburg

Weißenfels, 08.12.2025

Betr.: Bericht über die überörtliche Schwerpunktprüfung des Eigenbetriebes Sport- und Freizeitbetrieb der Stadt Weißenfels

Sehr geehrter Herr Bartels,

gestatten Sie mir vorab, dass ich Ihren Amtsvorgänger und heutigen Landesvorsitzenden des Bundes der Steuerzahler, Herrn Ralf Seibicke, mit diesem Schreiben direkt kontaktiere.

Zuerst möchte ich mein Erstaunen mitteilen, wie sich der Landesrechnungshof des Landes derart instrumentalisieren lässt. Mein bisheriges Verständnis war, dass ein Landesrechnungshof nicht nur unabhängig von Landesregierung und Ministerien agiert. Ich möchte Ihnen das im Folgenden begründen:

o Beginnen möchte ich mit der den durch Landesrechnungshof dominierten Sitzung des Stadtrates am 27.11.2025. Bereits am 17.11.2025, einen Tag vor der Ladung kündigte der Oberbürgermeister Herr Papke in der Mitteldeutschen Zeitung die Sondersitzung zum Hallenbad-Desaster an. Bereits da kündigte er an, keine Unterlagen zu veröffentlichen.

o Am 18.11.2025 erfolgte die Öffentliche Ladung. Dabei kam es zu einem klaren Verstoß gegen das Kommunalverfassungsgesetz (KVG) § 53 (4) „Dabei sind die für die Verhandlung erforderlichen Unterlagen grundsätzlich beizufügen“. Es gab offensichtlich keine Gründe dagegen zu verstoßen, wurde der Bericht doch noch während des Vortrags im Internet freigegeben. Geschah dies in Abstimmung mit Ihrem Haus, und wenn nicht, wieso wurde dies toleriert?

Damit wurden mehrere negative Sachverhalte begünstigt:

1. Interessierte Bürger konnten sich genauso wenig wie die Stadträte im Vorfeld informieren. Der mündige Bürger und der gewählte Stadtrat brauchen offensichtlich Hilfe den Bericht einzuordnen.

2. Am 22.11.2025 lässt sich Herr Papke, in Bezug auf die Sitzung, mit größtmöglicher Transparenz in der heiß diskutierten Angelegenheit zitieren. Ich unterstelle hier, dass er genau das Gegenteil organisiert hatte.

3. Zudem waren Fragen der Bürger (nach Geschäftsordnung) zu Themen der Stadtratssitzung nicht zulässig.

o Für mich sehr irritierend war, dass selbst die Stadträte nicht reagierten und diese nicht ordnungsgemäße Ladung rügten. War dies im Vorfeld mit Ihnen abgesprochen? Da stellt sich für mich die nächste Frage: Wen vertritt der Stadtrat?

o Ist Ihnen bewusst, dass die von Ihnen zitierten Gutachten der Öffentlichkeit trotz öffentlicher Beratung vorenthalten werden? Die Internetseite des Eigenbetriebs ist gesperrt, Nachfragen werden demokratisch beantwortet (Anlage).

o Ich würde Herrn Papke die versprochene Durchführung einer Einwohnerversammlung nach KVG § 28 empfehlen. Idealerweise nach einem Tag der offenen Tür im Schwimmbad.

In Ihrem Bericht – unter IV. Schlussfolgerungen (beginnend ab S. 37) werden Behauptungen aufgestellt, die zwingend einer differenzierten Betrachtung bedürfen.

Es erschließt sich mir nicht, aus welchem Grund auf die Anhörung der mit der Sanierung befassten Personen verzichtet wurde. Obwohl Ihnen bekannt war, dass die Auskunftsgebenden im Zeitraum der Sanierung nur wenige Wochen oder überhaupt noch nicht bei der Stadt beschäftigt waren. Nachfragen hätte man bei Personen, die sich nunmehr im Ruhestand befinden – wie bei der Eigenbetriebsleiterin oder mir. „Glückliche“ Umstände führten dazu, dass die weiteren involvierten Mitarbeiter jeweils freiwillig und/oder aus persönlichen Gründen einen neuen Arbeitgeber suchen mussten. Dabei handelte es sich um den Rechtsamtleiter (gleichzeitig Leiter der Vergabestelle), dessen Stellvertreter und die von Ihnen als Sachbearbeiterin für Bau, Unterhaltung und Projektabwicklung bezeichnete Mitarbeiterin des Eigenbetriebes. In 2 von 3 Fällen endeten die Arbeitsverhältnisse ohne Einhaltung einer im Regelfall drei- bzw. sechsmonatigen Kündigungsfrist. Alle genannten sind noch nicht gestorben und hätten jederzeit befragt werden können.

Da die nicht nur von Ihnen geforderte juristische Aufarbeitung (Klageverfahren) nun erst beginnt kann ich leider nicht vollumfänglich auf Ihren Bericht eingehen.

Erstaunlich wieder für mich die Qualität des Berichts. Das kann natürlich an den Auskunftsgebenden, aber auch der Aussagekraft der übergebenen (S. 6) 9.641 Dateien geschuldet sein.

Grundsätzlich:

o Entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen, verweise ich einfach auf den Unterschied zwischen Bedürfnissen (Studie) und Bedarf (bezahlbares Schwimmbad). Die von Ihnen zum Beweis herangezogene Studie (an anderer Stelle auch als Gutachten benannt) aus 2017 warf in meiner Erinnerung zwei Mängel auf:

Erstens, die Planung widersprach den Festlegungen des B-Plans am Standort Langendorf und hätte eine Schließung des Freibades bedurft.

Zweitens, Kosten von rund 20,0 Mio. €. Entsprechend wurde durch den Stadtrat, der in mehreren Jahren durch die Wirtschaftspläne das Vorgehen bestätigte, festgelegt:

Sanierung in der Reihenfolge (größter Handlungsbedarf) mit dem Ziel, durch die Sanierung eine Nutzungszeit von 10–15 Jahren zu erlangen:

Sanierung des Freibades ohne Fördermittel im Bestand. Gemessen an den Prämissen Ihres Berichts, sicher auch ein Schwarzbau mit dutzendhaften Verfehlungen. Hier ist die statische Sanierung des Sprungturms zu prüfen, keine Baugenehmigung!

Im Anschluss Sanierung der Schwimmhalle im Bestand:

1. Bauabschnitt: Sanierung der Umkleiden und Sanitärräume. Realisiert! Baukosten in der Erinnerung ca. 900,0 T€.

2. Bauabschnitt: Sanierung der Schwimmhalle und Außenhülle. Berichtsgegenstand und Stand heute verworfen, nur dafür wurden Fördermittel beantragt und genehmigt. Zu Ihrer Information: Auch hier ohne Förderung geplant und durch die Kommunalaufsicht verwehrt. Mit Förderung genehmigt. Die baufachliche Prüfung durch das Land bestätigte die Ansätze.

3. Bauabschnitt: Anbau Lehrschwimmbecken – nach Kassenlage.

Daraus resultieren natürlich unterschiedlichste Kostenszenarien.

Grob fahrlässig ist die Darstellung des Schadens (vgl. S. 6). Bei der Vor-Ort-Begehung müssten Ihnen oder Ihren Mitarbeitern die sanierten Räume aufgefallen sein. Diese Aufwendungen sind ebenfalls „untergegangen“. Auf Seite 21 beziffern Sie die Kosten für das Planungsbüro auf 509.975 €, ohne sie in die Berechnung aufzunehmen. Dem Vernehmen nach soll es noch eine sechsstellige Nachberechnung geben, das ist noch zu verifizieren bzw. auszuweisen.

Vorläufige Schadensumme neu:

1. Bauabschnitt: 900.000 € (Schätzung)
2. Bauabschnitt lt. S. 6: 3.986.254 €
Zinsen: 257.000 €
Planer snp S. 21: 509.975 €
Nachtrag Planer?: ggf. zu ermitteln
Rückbau/Abriss?: 500.000 € + x (Schätzung)
Schülerbeförderung: ggf. zu ermitteln / Zahler BLK

Gesamtschaden: mindestens 6.153.229 €

o Keine Aussage zu den Überzahlungen in Bezug zum Zeitpunkt der Zahlung und dem angegebenen Zahlungsgrund. Meine persönliche Annahme: Restsummen zur Schlussabrechnung nach ausgesprochenem Baustopp am 04.08.2022.

o Die Aussagen zum beauftragten Planungsbüro sind dabei besonders spannend. Dabei handelte es sich um einen Werkvertrag mit mangelnder Erfüllung. Wurde der Mangel angezeigt? Gab es eine Fristsetzung zur Nacherfüllung? Wurde Schadenersatz verlangt? Nach zwei Jahren Ermittlung durch die Stadt mit zwei Gutachten und anwaltlicher Begleitung, ein Jahr Untersuchung durch den Landesrechnungshof ist keine Aussage dazu möglich? Oder kann das als Feststellung verstanden werden, wenn Sie auf S. 30 lapidar schreiben: „Der Eigenbetrieb hat trotz nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen die Forderungen des Planungsbüros fast vollumfänglich beglichen“? Auch hier fehlt die Aussage zu einem möglichen Vorbehalt zur Rechtewahrung. Oder ist es Fakt, dass keinerlei Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden (können)?

o Gut ist die Feststellung, dass es sehr wohl ein Bautagebuch gab und es nunmehr vom Planer eingefordert werden soll. Schlecht: Das soll drei Jahre gedauert haben.

o Einige von Ihnen unkritisch übernommenen Aussagen aus Gutachten entsprechen wohl eher dem jeweils vorgegebenen Ziel dieser. Dass einerseits die Einstellung des Vorhabens mit 230 Mängeln präferiert wird, das nächste Gutachten die Fertigstellung, spricht für sich. Unreflektierte Tatsachenbehauptungen daraus abzuleiten, erscheint mir eher unseriös.

Abschließend noch ein Hinweis: Die Auswahl des Planers erfolgte rechtskonform und selbstverständlich auch anhand von Referenzen. Das geht aus den Unterlagen der Vergabestelle im VgV-Verfahren (Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, ein EU-weit gültiges Verfahren zur Vergabe großer öffentlicher Aufträge in Deutschland) hervor.

Schwimmhallen des Typs „Anklam“ wurden nicht nur in Weißenfels gebaut und andernorts erfolgreich saniert.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es mehr Wettbewerb gegeben hätte. Allein in der Praxis ist es leider nicht selten, dass die gewünschte Bewerberzahl nicht erreicht wird. Was von Ihnen auch völlig ausgeblendet wurde, sind ggf. Corona-bedingte Einflüsse auf die Abstimmungsprozesse.

Gleichzeitig bestand von zweierlei Seiten Druck:

Die Stadt mit ihren Bürgern und Kindern sowie politische Vertreter erwarteten eine schnellstmögliche Wiedereröffnung, das Land (Fördermittelstelle) eine pünktliche Fertigstellung unter Androhung von Rückzahlung.

Das würde natürlich keine Rechtsverstöße rechtfertigen, zu deren Wahrhaftigkeit ich allerdings erst im Rahmen eines avisierten Klageverfahrens Stellung nehme.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Schwimmhalle auch heute noch fertiggestellt werden kann. Fehlende Baugenehmigungen können selbstverständlich nachgeholt werden, da die Sanierung der Stahlbetonkonstruktion entsprechend gutachterlicher Stellungnahme nach meinem Kenntnisstand fachgerecht erfolgte. Es handelt sich um eine Sanierung im Bestand, die nicht mit einem Neubau verglichen werden kann. Bildhaft ausgedrückt: Sie würden 2022 keine Baugenehmigung für einen PKW Trabant bekommen, aber sehr wohl eine Betriebserlaubnis (TÜV). Vorwürfe mangelhafter Rettungswege sind dem Bestand geschuldet und durch das erstellte Brandschutzkonzept widerlegt.

Die derzeitige Planung nach „Bedarf“ inkl. Saunalandschaft soll Stand heute 22,0 Mio. € kosten, wovon 6,9 Mio. € aus dem Sondervermögen nach LuKiFG verwendet werden sollen. Dies entspricht in etwa der Schadenssumme – eine Ironie der Ereignisse. Fest steht auch, dass eine Baugrunduntersuchung noch aussteht. Die ca. 100 m entfernte Stadthalle steht auf 92 Bohrpfählen, und auch der neu geplante Standort wird durch den Landesbetrieb Hochwasser (LHW) als Überflutungsgebiet (HQ100) ausgewiesen.

Daher begrüße ich ausdrücklich Ihre Empfehlung auf Seite 38: „… vor neuen Entscheidungen zu einem Schwimmhallenprojekt (sind) alle möglichen Handlungsoptionen durch eine aktuelle Bedarfsanalyse und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu prüfen.“

Selbstverständlich stehe ich gern zu einem Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Robby Risch
Oberbürgermeister a. D.

Anlage: E-Mail zu Gutachteneinsicht

Verfasser: Redaktion  |  15.12.2025

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