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Wir, die Mörder unter uns


Die Pandemie hat unsere Gesellschaft nicht nur gesundheitlich, sondern auch rechtlich vor neue Herausforderungen gestellt. Ein aktueller Fall aus Kärnten in Österreich wirft nun grundlegende Fragen über das Zusammenleben in einer Welt nach der Corona-Pandemie auf. Eine 54-jährige Frau wurde verurteilt, weil sie ihren krebskranken Nachbarn im Dezember 2021 mit dem Coronavirus angesteckt haben soll. Der Mann verstarb infolgedessen an einer Covid-bedingten Lungenentzündung. Die Frau erhielt eine bedingte Haftstrafe und eine Geldstrafe wegen grob fahrlässiger Tötung, da eine fast hundertprozentige Übereinstimmung der Virus-DNA festgestellt wurde.



Details zu dem Fall sind im Artikel des Kurier nachzulesen. Die Entscheidung der Richterin, die zu dieser Verurteilung führte, löst eine Reihe von Gedanken und Bedenken aus, die tief in unsere alltäglichen sozialen Interaktionen und Verantwortungen eindringen.

Wer trägt die Verantwortung?

Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Was bedeutet dieses Urteil für unsere Zukunft? Wenn ein solches Urteil Schule macht, könnte jeder von uns, der eine ansteckende Krankheit, sei es Corona, Grippe oder ein einfacher Schnupfen, hat, theoretisch zur Gefahr für andere werden. Muss man sich zukünftig dafür verantworten, wenn man unwissentlich jemanden mit einem Virus ansteckt, der später daran verstirbt? Die verurteilte Frau war sich, eigenen Aussagen zufolge, nicht einmal sicher, ob sie an Corona erkrankt war. Sie ging von einer gewöhnlichen Bronchitis aus, wie sie sie regelmäßig im Winter hatte.

Dieses Urteil könnte zu einer Verunsicherung in der Gesellschaft führen. Müssen wir uns künftig bei jedem Niesen oder Husten fragen, ob wir womöglich das Leben eines anderen gefährden? Besonders in einer Zeit, in der Corona nachlässt, Grippewellen und Erkältungen jedoch wieder auf dem Vormarsch sind, wird das Thema Relevanz gewinnen. Die Angst, zur "Gefahr" für andere zu werden, könnte das soziale Leben massiv beeinträchtigen.

Müssen Kinder lernen, Angst zu haben?

Eine der besorgniserregendsten Fragen, die sich aus diesem Urteil ergibt, ist die nach der Angst, die wir möglicherweise unseren Kindern einimpfen müssten. Sollten Eltern ihren Kindern beibringen, dass ein harmloser Schnupfen oder eine gewöhnliche Erkältung das Leben ihrer Großeltern gefährden könnte? Diese Überlegungen führen uns an einen moralischen Scheideweg: Müssen wir Kindern eine ständige Vorsicht und Furcht vor dem eigenen Körper anerziehen, um ältere oder kranke Menschen in ihrer Umgebung zu schützen? Solche Ängste könnten das natürliche, unbeschwerte Aufwachsen der Kinder tiefgreifend verändern.

Die Bedrohung des Alltags

In der kalten Jahreszeit leiden viele Menschen an Erkältungen und leichten Infektionen. Was bedeutet dieses Urteil für Eltern, deren Kinder mit Schnupfen in die Schule oder den Kindergarten gehen? Muss man jetzt befürchten, dass die Großeltern, wenn sie die Enkelkinder besuchen, potenziell in Lebensgefahr schweben? Schließlich sind insbesondere ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen anfällig für schwere Verläufe von Infektionen.

Das Urteil aus Kärnten könnte das soziale Miteinander grundlegend verändern. Vor jeder Begegnung mit anderen Menschen müssten wir uns fragen: Ist es sicher? Riskiere ich das Leben eines anderen, wenn ich mich mit einer leichten Erkältung unter Leute begebe? Dies könnte dazu führen, dass wir uns stärker isolieren und soziale Kontakte noch weiter einschränken.

Eine Zukunft im Schatten der Angst: Die dystopische Konsequenz unserer Entscheidungen

Stell dir eine Welt vor, in der das Zusammenleben zu einer ständigen Bedrohung geworden ist. Ein einziges Niesen in der Öffentlichkeit wird mit Skepsis betrachtet, das leise Räuspern in der U-Bahn könnte die Lawine von Misstrauen und Angst auslösen. Gerichte und staatliche Institutionen haben in einer dystopischen Zukunft die Verantwortung für die Gesundheit aller so stark betont, dass das bloße Vorhandensein eines Erkältungsvirus zu einer juristischen Frage geworden ist. In dieser Welt leben wir nicht mehr in Gemeinschaften, sondern in einer Gesellschaft der permanenten Selbstisolierung, die von Kontrolle und Furcht geprägt ist.

Veranstaltungen, Konzerte, Sport, Feste, Vereinsarbeit - zukunftig alles undenkbar?!

Nicht weil die Politik dies so festgelegt hat, sondern weil sich die Menschen aus Angst davon fernhalten. Denn es könnte passieren, dass man, ohne es zu wissen, für den Tod von jemand anderen verantwortlich sein würde. Wobei es nicht nur um den Tod gehen muss. Denkbar ist auch, dass es schon bei eine fahrlässigen Körperverletzung zu einer Verurteilung kommen könnte, wenn man jemand anderen angesteckt hat und dieser mit möglicherweise schweren Symptomen einige Tage krank ist.

Die Isolation als Norm

In dieser dystopischen Realität hat sich das gesellschaftliche Zusammenleben grundlegend verändert. Die Menschen wagen es kaum noch, ihre Wohnungen zu verlassen. Jeder wird als potenzieller Überträger von Krankheiten angesehen, und der bloße Kontakt zu anderen kann im schlimmsten Fall zu einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung führen. In den Straßen herrscht Stille, Spielplätze sind verlassen, und Großeltern sehen ihre Enkel nur noch durch Plexiglasscheiben oder Bildschirme. Öffentliche Räume sind überwacht, und eine Infektions-App, die permanent den Gesundheitszustand aller überwacht, ist Pflicht. Treffen im Park oder spontane Besuche bei Freunden? Unvorstellbar, zu groß das Risiko, für den Tod eines anderen verantwortlich gemacht zu werden.

Kinder lernen bereits in der Schule, dass ihr Körper eine potenzielle Gefahr ist. Unterrichtsstunden zur "Infektionsprävention" ersetzen den Sportunterricht. Eltern bringen ihren Kindern bei, dass jeder Schnupfen, jede harmlose Krankheit das Leben eines anderen zerstören könnte. Es gibt keine unbeschwerte Kindheit mehr, sondern eine Generation, die in ständiger Furcht vor sich selbst und anderen aufwächst.

Ärzte in Angst und das Ende der Medizin

Ärzte, die früher dafür da waren, den Menschen zu helfen, sind in dieser dystopischen Zukunft zurückhaltend geworden. Ein Rezept oder eine Behandlung abzugeben, kann zur Katastrophe führen. Denn wenn eine Impfung oder ein Medikament nicht das gewünschte Ergebnis erzielt und jemand stirbt, droht die Haftung. Viele Ärzte haben ihre Praxen geschlossen, und die medizinische Versorgung liegt brach. Die wenigen verbliebenen Ärzte arbeiten in ständiger Furcht vor rechtlichen Konsequenzen und zögern, überhaupt noch Behandlungen durchzuführen. Die Kosten des juristischen Risikos übersteigen die Motivation, anderen zu helfen.

Diese Situation hat dazu geführt, dass alternative Heilmethoden und Selbstmedikation zur Norm werden. Patienten behandeln sich selbst, oft mit gefährlichen und unbewiesenen Mitteln, weil der Zugang zu regulierter Medizin durch die Angst der Ärzte blockiert ist. Die Qualität der medizinischen Versorgung ist auf ein Minimum gesunken, und viele Krankheiten, die früher leicht behandelbar waren, werden nun tödlich. Der Fortschritt der modernen Medizin hat sich um Jahrzehnte zurückentwickelt.

Der soziale Zerfall

Diese Welt, in der jeder Kontakt potenziell tödlich sein könnte, führt unweigerlich zum Zerfall sozialer Strukturen. Freundschaften verkümmern, weil das Risiko, jemanden unabsichtlich anzustecken, zu hoch ist. Familien brechen auseinander, da persönliche Treffen zur Ausnahme werden und nur unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen stattfinden. Die Gesellschaft fragmentiert in kleine, isolierte Einheiten, in denen jeder nur noch für sich selbst lebt. Vertrauen und Gemeinschaftssinn sind durch Angst und rechtliche Unsicherheit ersetzt worden.

Die Freiheit, die uns einst das soziale Miteinander gab, existiert nicht mehr. Stattdessen dominieren Schuldzuweisungen, Misstrauen und die Furcht vor rechtlichen Konsequenzen. Der Mensch lebt nun in einem Käfig aus Regeln, Vorschriften und Angst vor Ansteckung, unfähig, das Leben zu genießen, das früher selbstverständlich war.

Die große Frage: Lassen wir es so weit kommen?

Doch bevor diese dystopische Zukunft Realität wird, müssen wir uns fragen: Wollen wir wirklich zulassen, dass das Zusammenleben zu einer ständigen Gefahr erklärt wird? Oder erkennen wir an, dass der Mensch Teil der Natur ist und mit ihren Herausforderungen leben muss – seien es Viren, Bakterien oder andere Einflüsse auf die Gesundheit? Krankheiten und Infektionen sind so alt wie das Leben selbst. Kein Urteil, keine Gesetze werden sie ausrotten können. Die Natur wird immer ihre eigenen Wege gehen, und wir müssen lernen, mit dieser Realität zu leben, ohne dabei die Menschlichkeit und den Zusammenhalt zu verlieren.

Natürlich haben wir die Verantwortung, uns und andere so gut es geht zu schützen, besonders wenn wir wissen, dass jemand besonders gefährdet ist. Aber wo ziehen wir die Grenze zwischen Vorsicht und Paranoia? Müssen wir jedes gesundheitliche Risiko juristisch ahnden, oder sollten wir akzeptieren, dass das Leben immer eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt?

Wenn wir in einer Welt leben, in der jede zwischenmenschliche Interaktion zur Bedrohung wird, verlieren wir das, was uns als Menschen ausmacht: die Fähigkeit, zu vertrauen, zu lieben und einander zu helfen. Der Versuch, jede Gefahr zu eliminieren, führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zur Isolation und zum Verlust unserer Freiheit. Das Leben wird nie ohne Risiko sein. Vielleicht sollten wir uns darauf besinnen, dass es diese Unsicherheit ist, die das Leben lebenswert macht – und dass wir trotz aller Risiken die Nähe zueinander suchen sollten, anstatt uns voneinander abzuschotten.

Die Zerstörung der Gesellschaft durch solche Gerichtsurteile

Wenn sich solche Gerichtsurteile häufen und als Norm durchsetzen, bedroht dies die Menschen und die Gesellschaft stärker als die Viren selbst. Denn während Viren Teil der Natur sind und sich nicht völlig vermeiden lassen, schaffen Urteile wie dieses eine Atmosphäre der Angst und Misstrauen, die tief in das soziale Gefüge eindringt. Die daraus resultierende Isolation, die ständige Furcht vor rechtlichen Konsequenzen und die Zerstörung des Vertrauens untereinander haben das Potenzial, das menschliche Zusammenleben weit nachhaltiger und zerstörerischer zu verändern als jede Krankheit. Die dystopischen Konsequenzen könnten letztlich schwerer wiegen als die Bedrohung durch Viren.

Verfasser: Katharina Miersch  |  13.09.2024

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